Der Blog der Pinakotheken

Geschichten aus dem Museum

21.02.2025 | Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Statement der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen

anlässlich des Artikels in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Februar 2025 von Jörg Häntzschel

Statement vom 26.02.2025

Aus Anlass der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Alarmstufe Rot“ vom 20. Februar 2025 über eine Liste mit angeblich 200 Raubkunstwerken in den Beständen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nehmen wir hierzu wie folgt Stellung: 

Die Süddeutsche Zeitung behauptet, dass sie im Besitz einer „Roten Liste“ sei und formulierte weiter: 

„200 Werke in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sind internen Museumsdokumenten zufolge NS-Raubkunst.“ 

Die in der Liste aufgeführten Werke seien als ‚Rot‘ eingestuft, was bedeute, dass es sich eindeutig um Raubkunst handele, die sofortige Rückgabe erforderlich sei und eine Information der Erben dringend geboten. Es wird weiterhin behauptet, dass die Öffentlichkeit sie niemals hätte sehen sollen. 

Sämtliche dieser Aussagen sind falsch. Tatsächlich gab es zum Zeitpunkt dieser Berichterstattung kein internes Museumsdokument mit 200 Werken, die als „Rot“ gekennzeichnet sind. Richtig ist, dass aktuell 97 Werke im Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine rote Markierung haben. Diese Markierung wird bereits vergeben, wenn potenziell Betroffene Restitutionsansprüche erheben oder Raubkunstverdacht besteht, mithin Recherchebedarf gegeben ist. Die entscheidende Falschbehauptung der Süddeutschen Zeitung, die letztlich die Grundlage des gesamten Artikels ist, ist daher die, dass eine interne Prüfung bereits längst die in der Liste aufgeführten Werke eindeutig als nach den Washingtoner Prinzipien zurückzugebende Raubkunst identifiziert hat. 

Ebenso falsch ist es, dass große Teile der Liste und die dort festgestellten Erkenntnisse nicht öffentlich gemacht worden sind. Tatsächlich sind 53 der in der Liste aufgeführte Kunstwerke bereits bei Lost Art gemeldet und 82 der Bilder in der Online-Sammlung mit ihren Provenienzketten für die Öffentlichkeit zugänglich. 

Auch der in dem Artikel der Süddeutschen Zeitung vermittelte Eindruck, es hätten keine Restitutionen stattgefunden, ist falsch. Insgesamt haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nach Entscheidung des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst seit der Verabschiedung der Washington Principles 25 Restitutionen vorgenommen, davon allein in den Jahren 2020 – 2024 fünf. Insgesamt stehen aktuell noch neun weitere Werke zur Restitution an, vier davon wurden im Dezember 2024 positiv beschieden. 

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) hat heute bestätigt, dass die Kategorisierung der Ampelfarben bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen der üblichen Museumspraxis entspricht, wobei die Detailausgestaltung differieren kann.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben daher den renommierten Presserechtler Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Christian Schertz, Berlin, beauftragt, presserechtliche Schritte gegen die Süddeutsche Zeitung zu prüfen. 

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen freuen sich über die Pressemeldung vom 25. Februar 2025, mit der der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Markus Blume zusätzliche Mittel für die Provenienzforschung in Aussicht stellt, und werden die darin artikulierten Aufgaben unmittelbar umsetzen.

PRESSESTELLE 
Tine Nehler, M.A. 
Leitung Presse & Kommunikation 
Alte Pinakothek, Neue Pinakothek, Sammlung Schack und Staatsgalerien 

Pinakothek der Moderne (Kunst | Graphik | Architektur | Design) 
Richard-Wagner-Str. 1 | 80333 München 
+49 (0)162 2621301 
presse@pinakothek.de 
www.pinakothek.de/presse

Statement vom 21.02.2025

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen weisen die in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Februar 2025 genannten Vorwürfe vehement zurück. Insbesondere betrifft das den Vorwurf, in Fällen von Raubkunstverdacht Informationen bewusst zurückzuhalten und grundsätzlich nicht transparent zu agieren.

Transparenz und Zugänglichkeit der Forschungsergebnisse

Sämtliche den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BStGS) bekannten Werke mit Raubkunstverdacht sind seit 2022 in der Online-Sammlung der BStGS für die Öffentlichkeit zugänglich. Die der Süddeutschen Zeitung vorliegende Liste enthält somit keine neuen Informationen. Die Informationen sind seit 2022 der Allgemeinheit online zugänglich.

Die Interna unserer Datenbank wurden unautorisiert und zu einem uns unbekannten Zeitpunkt weitergegeben. Wir werden sie nicht autorisieren. Sie entsprechen zudem nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand: Die geleakte Liste ist somit veraltet und bildet den sogenannten 2020 abgeschlossenen Erstcheck der Werkgruppen (1933-1945 erworben, Erwerbungen aus NS-Besitz) sowie eine erste Einschätzung der nach 1945 erworbenen Werke ab. Ziel war eine grobe Einordnung in die Farbgebung der Provenienzampel für interne Zwecke, um die Werke für die „Tiefenrecherche“ priorisieren zu können.

Finale Forschungsergebnisse werden seit 2022 von den BStGS in der Online-Sammlung veröffentlicht: www.sammlung.pinakothek.de. Aktuell sind 1453 Provenienzen online. Die Menge der erforschten Werke vergrößert sich stetig.
Hier finden Sie die Ergebnisse der Projekte:
Projekt: Kunstwerke aus ehem. NS-Besitz
Projekt: Erwerbungen 1933-1945
Projekt: Klassische Moderne
Für weiterführende Fragen ist dort ein Kontaktformular aktiv.

Zu aktuellen Claims berichten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen seit Jahren im jährlichen Bericht des Forschungsverbunds Provenienzforschung Bayern. Dort sind also die jeweils eintreffenden Restitutionsforderungen wie auch die aktuelle Recherche im laufenden Berichtsjahr veröffentlicht.

Es handelt sich also um einen transparenten Umgang mit Forschungsergebnissen der Provenienzforschung, wie in den Washington Principles gefordert. Aufgrund dieser Veröffentlichungen erreichen uns kontinuierlich neue Restitutionsforderungen, Rechtsnachfolger können identifiziert und Werke restituiert werden: Dies erfolgt kontinuierlich, wie auf der Website der BStGS unter www.pinakothek.de/provenienzforschung nachvollziehbar ist.

Die der Süddeutschen Zeitung vorliegende Liste enthält somit keine neuen Informationen, die nicht bereits seit 2022 der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.

Die Provenienzampel in der internen Datenbank

Die sogenannte „Provenienzampel" ist eine Klassifizierung für Werke, die nach 1933 erworben und vor 1945 entstanden sind. Die Zuordnung erfolgt farblich entsprechend dem Forschungsstand und wird laufend aktualisiert.

Rot: Die Zuordnung rot erfolgt bei zwei sehr unterschiedlichen Kriterien: Sie gilt einerseits für Werke mit Raubkunstverdacht nach dem Erstcheck. Andererseits erhalten Werke, zu denen bereits eine Restitutionsforderung vorliegt oder abgelehnt wurde, ebenfalls dieselbe Farbe. Die Werke aus den Fällen Flechtheim und Mendelssohn-Bartholdy sind dementsprechend als „rot" markiert.

Verwendung

Diese Kategorisierungen sind dynamisch und passen sich dem Fortschritt der Forschungen an. Sie sind work in progress und ändern sich je nach Forschungsstand. Sie dienen insbesondere der Priorisierung der der Tiefenrecherche für zu bearbeitende Fälle. Zudem unterstützen sie die interne Kommunikation zwischen dem Team der Provenienzforschung und den mit den Werken wissenschaftlich, kuratorisch oder technisch befassten Kolleginnen und Kollegen.

Der heutige Stand der Provenienzforschung verdankt sich dem konsequenten und hohen Einsatz des damit befassten kleinen Teams. Die systematische Durchsicht von über 5000 Werken im Erstcheck war eine große Forschungsleistung, die in vielen Fällen überhaupt erst zu einer vertieften Kenntnis der Provenienz der untersuchten Werke geführt hat. Die Kontinuität in personeller wie methodischer Hinsicht erlaubt eine systematische Bearbeitung der Fälle, die nach wie vor fortgesetzt wird. Über den aktuellen Stand informiert unsere Homepage.

Lost-Art-Meldungen

Die Lost-Art-Datenbank erfasst Kulturgüter, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft insbesondere jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden. Mit der Dokumentation eines Einzelobjekts oder einer Sammlung in der Lost Art-Datenbank ist nicht die Feststellung verbunden, dass es sich dabei tatsächlich um ein NS-verfolgungsbedingt entzogenes oder im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg verbrachtes oder abhandengekommenes Kulturgut handelt.

Unsere Kriterien für Fundmeldungen

Ein genereller Raubkunstverdacht liegt vor, wenn Eigentümer oder Kunsthändler jüdischer Herkunft in der Provenienzkette auftauchen oder Kunstwerke verfolgungsbedingt entzogen wurden. Diese Werke werden mit der Ampelfarbe „Rot“ versehen. Die konkreten Umstände des Verlusts sind jedoch nicht immer unmittelbar belegt, weshalb eine vertiefte Untersuchung vor einer Lost-Art-Meldung erfolgt. Sollte sich der Verdacht erhärten, wird eine Meldung in der Lost-Art-Datenbank selbstverständlich vorgenommen.

376 Fundmeldungen: Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben derzeit 376 Werke mit Raubkunstverdacht in der Lost-Art-Datenbank gemeldet. Diese stammen aus den Forschungsprojekten „Erwerbungen 1933 bis 1945“ und „Überweisungen aus NS-Besitz“. Besonders die „Überweisungen aus NS-Besitz“ sind aufgrund der Herkunft aus dem Besitz von Personen wie Hitler, Göring oder Amann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als belastet einzustufen und werden daher grundsätzlich gemeldet.

Neben den Fundmeldungen werden in Lost Art auch Suchmeldungen eingestellt: Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben derzeit 674 Suchmeldungen auf Lost-Art gemeldet, die kriegsbedingt verloren gingen und nach denen so gesucht wird.

Restitutionsforderung im Fall Flechtheim und Erbenkommunikation:

Der Austausch mit den Erben ist von der öffentlichen Kommunikation klar zu unterscheiden. Die Behauptung, dass dem Erbenvertreter, Herrn Rechtsanwalt Stötzel, relevante Forschungsergebnisse vorenthalten wurden, ist nicht zutreffend.

Die BStGS standen während der gesamten Dauer der Provenienzforschung zu allen geforderten Werken in engem Austausch mit Herrn Stötzel. Alle durch die Provenienzrecherche gewonnenen Fakten wurden ihm mit Belegen übermittelt.

Fazit

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen setzen sich nachweislich für eine transparente und wissenschaftlich fundierte Provenienzforschung ein. Der Umgang mit den Ergebnissen erfolgt im Einklang mit internationalen Standards, insbesondere den Washington Principles. Die fortlaufende Veröffentlichung der Forschungsergebnisse und der aktive Austausch mit Erben unterstreichen diesen verantwortungsvollen Umgang.


Beitrag von

Bayerische Staatsgemäldesammlungen Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen betreuen einen wesentlichen Teil des Gemälde- und Kunstbesitzes des Freistaates Bayern sowie die dazugehörigen Münchener Museen: die Alte Pinakothek, die Neue Pinakothek, die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, die Sammlung Schack, das Museum Brandhorst und darüber hinaus zwölf Staatsgalerien in ganz Bayern. Hier arbeiten Kunsthistoriker:innen verschiedener Spezialgebiete, Naturwissenschaftler:innen und Restaurator:innen des angeschlossenen Doerner Instituts zusammen mit zahlreichen weiteren Mitarbeiter:innen daran, den großen Bestand von mehr als 30.000 Objekten zu verwalten, zu erhalten und wissenschaftlich zu erschließen.