Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., Madonna im Blumenkranz, um 1616/18
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen  – Alte Pinakothek München
Peter Paul Rubens und Jan Brueghel d. Ä., Madonna im Blumenkranz, um 1616/18
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek München

All Eyes On

Rubens, Brueghel und die Blumenkranzmadonna

Alte Pinakothek
09.07.2024 — 12.01.2025
Saal VIII

ALL EYES ON setzt inmitten der Galerie ein Werk oder eine Werkgruppe, eine bedeutende Künstlerpersönlichkeit oder künstlerische Position, Gastauftritte einzelner Leihgaben, wichtige Restaurierungen oder Neuerwerbungen in Szene. Die künstlerischen wie technischen Qualitäten der Gemälde, Inhalt und Bedeutung, ihre Entstehungs- und Wirkungsgeschichte sowie ihre Schöpfer werden im Kontext der Sammlung beleuchtet. Auf diese Weise eröffnen sich neue, aktuelle Perspektiven und vielfältige Einblicke in die Forschungsarbeit an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Teamwork, Interaktion, Co-Working – das klingt modern, gab es aber auch schon im 17. Jahrhundert. So arbeiteten Peter Paul Rubens, damals der bedeutendste Maler von monumentalen Historienbildern mit großen Figuren, und Jan Brueghel d. Ä., der unbestrittene Spezialist für detailreiche Landschaften und Stillleben, häufig zusammen. Als einer der Höhepunkte dieser Kooperation auf Augenhöhe gilt die „Madonna im Blumenkranz“.

Hier richten sich alle Augen auf den spannenden Entstehungsprozess des Gemäldes. Dieser ermöglicht einen tiefen Einblick in die Arbeit zweier kongenialer Künstler. Nicht nur ihre Intentionen werden deutlich, sondern auch das wie selbstverständliche Zusammenwirken von zwei eigenständigen Persönlichkeiten.

Die Präsentation zeichnet die Abfolge der Arbeitsschritte nach und offenbart verworfene Bildideen sowie neue kreative Lösungen. Detailaufnahmen dokumentieren die hohe künstlerische Qualität der Malerei.

Wir danken der Herbert Schuchardt-Stiftung für die Förderung der Ausstellung und Vermittlung.

TEAMARBEIT IN VOLLENDUNG

Genie oder genial? Dem modernen Kunstverständnis, das mit Kunst vor allem Individualismus, Subjektivität und Originalität verbindet, mag es fremd sein, im 17. Jahrhundert war es jedoch gängige Praxis: Künstler taten sich zusammen, um gemeinsam Meisterwerke zu schaffen. 

Bald nach 1500 prägte sich – mit der Ausbildung verschiedener Sujets wie Landschaft, Genre und Stillleben – in den Niederlanden eine Fachmalerei aus. Man spezialisierte sich auf bestimmte Bereiche und strebte darin höchste künstlerische Vollendung an. Es lag also nahe, für spektakuläre Bildschöpfungen die jeweiligen Begabungen zu vereinen und Großes zu schaffen. 

Peter Paul Rubens (1577–1640) und Jan Brueghel d. Ä. (1568–1625) taten sich mehrfach zusammen. Beide waren anerkannte Meister ihres Fachs: Rubens, einer der bedeutendsten Maler seiner Zeit, war für seine monumentalen Historienbilder mit großen Figuren berühmt, Brueghel hingegen für detailreiche Landschaften mit üppiger Staffage sowie für Blumen- und Tierstillleben. 

Die Blumenkranzmadonna steht beispielhaft für eine solche Kooperation auf höchstem Niveau: Maria, das Jesuskind und der Puttenreigen stammen von Rubens; Brueghel schuf den opulenten Blumenkranz.

Die Darstellung spiegelt religiöses Brauchtum: wie heute noch an Fronleichnam wurden auch damals Marien- und Heiligendarstellungen als Zeichen der Verehrung üppig geschmückt. In der frontalen, zur Anbetung einladenden Darbietung des Christuskindes äußert sich die besondere Meisterschaft von Rubens, religiöse Botschaften lebendig und eindringlich zu vermitteln. Christus steht nackt vor dem Betrachter, in seiner ganzen Verletzlichkeit, und so klingt bereits in der kindlichen Darstellung der spätere Tod am Kreuz an. Maria ist zugleich liebende Mutter wie auch Gottes Werkzeug, denn ihr nachdenklicher Blick verrät die Ahnung um den frühen Tod ihres Sohnes. Die Putti, die den schwarzen Rahmen mit dem Madonnenbild und den Blumenkranz an einer Kartusche befestigen, strahlen Freude und Eifer aus – sie sollen den Anbetenden vermitteln, dass liebevolle Fürsorge und der Gedanke an Gottes Schöpfung zu späterer Erlösung führen. 

Zum Eindruck der Lebendigkeit trägt der prachtvolle, fast plastisch wirkende Blumenkranz bei. Brueghel gab die Blüten mit ihren leuchtenden Farben naturgetreu wieder und ergänzte kleine Insekten, die zwischen den Blättern krabbeln. Es ging jedoch nicht um ein realistisches Abbild der Natur, denn manche Blumen blühen zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Brueghel verwendete Studien als Vorlage, genau wie Rubens: Einigen Putti und dem Christus liegen Skizzen nach seinen eigenen Kindern zugrunde (s. Abbildung "Das Kind mit dem Vogel").

Studie
Peter Paul Rubens, Das Kind mit dem Vogel, ca. 1614, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Kunsttechnologische Forschung

Mit Hilfe der kunsttechnologischen Forschung und ihren bildgebenden Verfahren gelingen uns oft faszinierende Einblicke in die Genese eines Kunstwerkes. So konnte bei vielen Gemälden von Rubens die ihm eigene, sehr kreative und spontane Arbeitsweise aufgezeigt werden. Im Fall der Blumenkranzmadonna erwies sich die Untersuchung mit Röntgen- und Infrarotstrahlen als besonders aufschlussreich. 

Das Gemälde wurde von Rubens auf einer nahezu quadratischen Eichenholztafel begonnen. In der Röntgenaufnahme erkennt man sieben senkrecht angeordnete Planken, deren Fugen mit gleichmäßig gesetzten Dübeln stabilisiert wurden. Bemerkenswert sind die beiden äußeren, je ca. 25 cm breiten Bretter: Sie wurden nachträglich angeleimt und der Bereich der Fugen mit einer Füllmasse sorgfältig dem Niveau angeglichen – unverkennbar eine von Rubens während des Malprozesses veranlasste Maßnahme zu einer deutlichen Verbreiterung der Bildfläche.

Zu Abbildung 1:

Während der Entstehung wurde das ursprüngliche Format der Eichenholztafel durch Rubens vergrößert.
Die beiden für die Erweiterung der Komposition seitlich angefügten Bretter können durch technische Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren wie dem Röntgen oder der Infrarotreflektografie sichtbar gemacht werden – hier in einem Infrarotreflektogramm gelb markiert.

Zu Abbildung 2:

Anfangs hatte die Holztafel der „Madonna im Blumenkranz“ ein nahezu quadratisches Format.
Neben den später angefügten Brettern sind im Infrarotreflektogramm auch die Anlage der ursprünglichen Komposition und ihre Veränderungen erkennbar.

Zu Abbildung 3:

Ursprünglich hatte Rubens für die Putti ein anderes Konzept.
Das Infrarotreflektogramm macht Aussparungen sichtbar, die er im dunkel angelegten Hintergrund gelassen hat: Für Brueghels Blumenkranz ebenso wie für die von ihm selbst auszuführenden Putti. Die Aussparungen verdeutlichen, dass Rubens für die Putti erst eine geringere Anzahl und eine abweichende Anordnung vorgesehen hatte.
Ihre symmetrische Anordnung in den Ecken des zunächst quadratischen Formates ist hier durch gelbe Linien gekennzeichnet.

Zu Abbildung 4:

Das Infrarotreflektogramm der „Madonna im Blumenkranz“ im heutigen Zustand. 
Neben der Position der vier ersten Putti erkennen wir die im Verlauf des Malprozesses ergänzten Bretter und den auf elf Putti erweiterten Reigen.

Zu Abbildung 5:

Die „Madonna im Blumenkranz“ in finaler Ausführung mit großem Puttenreigen.
Die gelben Umrisslinien der Putti der ersten Anlage zeigen die Einschränkung durch das kleinere Format. So werden der kreative Impuls zur Formaterweiterung und der offensichtliche künstlerische Gewinn für das Werk durch die Konzeptänderung nachvollziehbar. 
 

Im Infrarotreflektogramm können wir erkennen, dass Rubens auf der hellen Grundierung des anfangs kleineren Bildraums zunächst einen dunklen Hintergrundton auftrug. Dabei ließ er die Fläche frei, die für den von Brueghel im weiteren Verlauf zu gestaltenden Blumenkranz vorgesehen war. Weitere Aussparungen finden sich in den vier Bildecken. Sie boten Platz für je einen Putto, also eine symmetrische Anordnung.

Mithin liefert das Infrarotreflektogramm wertvolle Hinweise auf den kreativen Impuls für die Veränderung: Auf beiden Brettern der Vergrößerung und den so hinzugewonnenen Flächen, die sich durch einen farblich leicht abweichenden Hintergrund absetzen, entwickelte Rubens statt des erst eher schematischen Bildaufbaus die endgültige und sehr viel dynamischere Komposition. Er nutzte den Raum, um mit einem Reigen von elf geschäftigen Putti deren Anzahl immerhin beinahe zu verdreifachen. 

Nun kam Brueghel zum Zuge: In die von Rubens vorgesehene Aussparung fügte er den üppigen Blumenkranz mit den Insekten ein. Zugleich kam ihm die Aufgabe zu, die beiden Anteile zu einer optischen Einheit zu verschmelzen. Einige Blumen liegen wie selbstverständlich über den von Rubens ausgeführten Putti, die zur Steigerung der plastischen Wirkung in den doch nur gemalten Kranz hineinzugreifen scheinen. 

Auch wenn die Entwicklung der Bildidee auf Rubens zurückgeht, wäre die wie selbstverständlich wirkende Einheit und Monumentalität ohne die Meisterschaft von Brueghel nicht denkbar. Hier zeigt sich Teamarbeit in Vollendung.

ENTHÜLLT: DEM ENTSTEHUNGSPROZESS AUF DER SPUR

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PDF | Auszüge aus dem Katalog "Brueghel. Gemälde von Jan Brueghel d.Ä."

Begleitprogramm

Begleitend zur ALL EYES ON Sammlungspräsentation „Rubens, Brueghel und die Blumenkranzmadonna“ lädt die Alte Pinakothek zu einem vielseitigen Bildungs- und Vermittlungsangebot ein.  

KUNSTAUSKUNFT 

SO 12.00 – 16.00 

ONLINE-FÜHRUNGEN  

MO 21.10.2024, 17.30 Live Chat Online Führung 
Anmeldung unter programm@pinakothek.de 

FÜHRUNGEN MIT DER KURATORIN  

MO 18.11.2024, 17.30 Uhr | Live Chat Online-Führung mit Mirjam Neumeister | Anmeldung unter programm@pinakothek.de 
DI 03.12.2024, 18.30 | Eine Stunde mit Mirjam Neumeister 

IM TEAM: DIALOGFÜHRUNGEN 

DI 29.10.2024, 18.30 | Eine Stunde mit Mirjam Neumeister und Jan Schmidt 
DI 07.01.2025, 18.30 | Eine Stunde mit Mirjam Neumeister und Jan Schmidt 

FAMILIENFÜHRUNGEN 

SO 13.10.2024 | 24.11.2024, 11.00 | Familienführung 

OFFENE MITMACH-AKTIONEN 

SO 24.11.2024, 10.00-17.00 | Adventskranzbinden für Jung und Alt 
Ohne Anmeldung | Einstieg jederzeit möglich 
Treffpunkt: Vor dem Haupteingang im Außenbereich 
Materialgebühr: 8 Euro pro Kranz 

SO 27.10.2024 | 01.12.2024 | 05.01.2025, 14.00-17.00 | We are family: Workshop für Familien 
Für Familien mit Kindern ab 6 Jahren 
Ohne Anmeldung | Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten freien Eintritt | Einstieg jederzeit möglich Treffpunkt: Saal XI 

SO 06.10.2024 | 17.11.2024, 14.00-17.00 | Mit allen Sinnen 
An diesen Sonntagen erwartet Sie zwischen 14.00 und 17.00 eine überraschende Aktion in der Sammlung, um die Blumenkranzmadonna emotional zu erleben. 
Teilnahme im Eintrittspreis inbegriffen 
Einstieg jederzeit möglich | Ohne Anmeldung