ALL EYES ON setzt inmitten der Galerie ein Werk oder eine Werkgruppe, eine bedeutende Künstlerpersönlichkeit oder künstlerische Position, Gastauftritte einzelner Leihgaben, wichtige Restaurierungen oder Neuerwerbungen in Szene. Die künstlerischen wie technischen Qualitäten der Gemälde, Inhalt und Bedeutung, ihre Entstehungs- und Wirkungsgeschichte sowie ihre Schöpfer werden im Kontext der Sammlung beleuchtet. Auf diese Weise eröffnen sich neue, aktuelle Perspektiven und vielfältige Einblicke in die Forschungsarbeit an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.
Die Werke der Alten Meister wurden im Lauf ihrer Geschichte zumeist von ihren originalen Rahmen getrennt. Nur äußerst selten blieb die ursprüngliche Einheit von Bild und Rahmen erhalten. Viele Originalrahmen sind verloren, und auch historische Rahmen – also Neurahmungen vorhergehender Jahrhunderte – wurden etwa in Kriegen zerstört. Einem Gemälde den richtigen Rahmen zu geben, ist eine wesentliche kuratorische Aufgabe. Denn nur einer passenden Rahmung gelingt es, die von der Künstlerin oder dem Künstler intendierte Wirkung des Bildes wesentlich zu unterstützen. Die Präsentation stellt am Beispiel einiger Werke der italienischen Renaissance vor, wie in der Alten Pinakothek Gemälde von historischen Rahmen oder kunstvollen Nachschöpfungen geschmückt werden.
Die Heilige Familie aus dem Hause Canigiani, um 1505/1506
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek München
All Eyes On
Rahmen machen Bilder
Alte Pinakothek
05.08.2025 — 11.01.2026
Saal IV
Kleider machen Leute – Rahmen machen Bilder: Ein treffender Rahmen ist wie ein perfekt passendes Kleid oder ein gut sitzender Anzug. Er hebt die Ausstrahlung des Kunstwerks und unterstützt im besten Fall sogar die Wirkung der Malerei.
Tafel und Rahmen bildeten in der frühen italienischen Goldgrundmalerei sehr oft eine unmittelbare Einheit. Ein Beispiel für eine Rahmenleiste, die fest mit der Bildtafel verbunden ist und gemeinsam mit ihr vergoldet wurde, findet sich im zur Präsentation benachbarten Kabinett 1 (Abbildung 1). Seit der Renaissance sind Rahmen jedoch fast ausnahmslos als ungebundene Objekte ausgearbeitet worden. Sie wurden von Schreinern, Bildhauern und Vergoldern gemäß den Wünschen des Malers oder seines Auftraggebers passend zum Tafel- oder Leinwandbild angefertigt.
Bedauerlicherweise sind die meisten Gemälde der Alten Meister im Laufe Ihrer Geschichte von ihrem ursprünglichen Rahmen getrennt worden. Die Verkäufe und Transporte der Bilder, Zerstörungen durch Kriege, veränderte Präsentationsformen und neue geschmackliche Vorlieben führten dazu, dass immer wieder neue Rahmungen vorgenommen wurden. In den großen Gemäldegalerien der Welt findet man deshalb zumeist eine bunte Mischung folgender musealer Rahmen:
Im Handel erworbene Original-Rahmen (Abbildung 2 und 3), die aus historischer und ästhetischer Perspektive besonders treffend sind, weil sie für unmittelbar vergleichbare Werke angefertigt wurden. Sie stammen also idealerweise annähernd aus derselben Zeit und eventuell sogar aus derselben Kunstlandschaft wie das Gemälde. Das Angebot originaler Rahmen ist klein. Und so ist es ein seltener Glücksfall, wenn ein Rahmen gefunden werden kann, der bis hin zu seinen Abmessungen stimmig ist.
Leonardos „Madonna mit der Nelke“ wird in einem Florentinischen Tabernakelrahmen präsentiert, der um 1490 zu datieren ist; er konnte Anfang des 20. Jahrhunderts erworben werden (2). Wie große Altarbilder wurden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch private Andachtsbilder in architektonisch gestalteten Rahmen gezeigt. Die an der Formensprache antiker Tempelarchitektur orientierten Tabernakel- oder Ädikularahmen setzen sich aus einem Sockel, Säulen oder Pilastern und einem Architrav oder Giebel zusammen (siehe auch 3).
Nach dem Muster historischer Tabernakelrahmen wurde der neue Rahmen zu Raffaels „Hl. Familie aus dem Hause Canigiani“ (4) entworfen. Der Entstehungsprozess dieser Rahmung wird auf der benachbarten Stele vorgestellt. Denn sie ist exemplarisch für solche Galerierahmen, die nach originalen Mustern konzipiert und in traditionellen Handwerkstechniken ausgeführt werden. Derartige Rahmen-Kopien bringen, wenn sie hochwertig gestaltet und kunstvoll patiniert wurden, viele jener Qualitäten mit sich, die ansonsten nur ein Original-Rahmen bereithält.
Selten ist es der Fall, dass eine Galerie einen historischen Rahmen zur Verfügung hat, der einen Neuzugang passend schmücken kann. Die Alte Pinakothek verfügt glücklicherweise über eine kleine Sammlung originaler italienischer Rahmen. So konnte Bellinis Madonnenbild, das als Dauerleihgabe zu Gast ist, mit einem Plattenrahmen des 16. Jh. ausgestattet werden (5). Eben dieser Rahmen diente einige Jahre zuvor übrigens als Muster für den neuen Galerierahmen, der seit 2011 Peruginos Altarbild umgibt (6).
Ein neuer Galerierahmen nach historischem Muster
Der Florentiner Tuchhändler Domenico Canigiani bestellte Raffaels großformatiges Andachtsbild (4) wohl anlässlich seiner Hochzeit im Jahr 1507. Es schmückte die Kapelle seines Palazzo und wurde auf dem dortigen Altar vermutlich in einem sogenannten Tabernakelrahmen aufgestellt. Später gelangte das Gemälde zunächst in die Sammlung der Medici und dann in die Residenz des Düsseldorfer Kurfürsten. Beim Wechsel in fürstliche Galerieräume wurden Altarbilder der Renaissance zumeist von ihren schweren Architekturrahmen getrennt. Denn der neue Ort und Kontext verlangte nach anderen Rahmenformen.
Der Verlust der architektonisch strukturierten Rahmung, die mit schlanken Pilastern aufwärts strebt, schränkte die von Raffael intendierte Wirkung der pyramidalen, von Engeln begleiteten Figurenkomposition ein. Deshalb wurde 2013 der viele Jahrzehnte verwendete manieristische Plattenrahmen durch einen neuen Tabernakelrahmen ersetzt. Ein historisches Muster bildete die Grundlage für den Entwurf. Nach dessen Erprobung mit einer 1:1-Schablone wurde er in seinen Abmessungen und Volumina so weit reduziert, dass er sich nicht wuchtig als Altarmöbel präsentiert, sondern harmonisch in die Galeriepräsentation einfügt.
Raffaels "Heilige Familie"
Folgende Abbildungen zeigen einzelne Schritte aus dem traditionellen Fertigungsprozess des Rahmens in der Münchner Werkstatt Pfefferle.
In der Rahmenwerkstatt
Anfertigung der Profile
Abgeschlossener Rohbau aus Lindenholz
Vorbereitungen für das Schnitzen des Eierstabs
Rohbau mit eingesetztem Kapitellblock
Das geschnitzte Kapitell
Kreidegrund für die Polimentvergoldung
Auftrag des Bolusgrundes für die Vergoldung (Bolus=Tonerde)
Der frisch vergoldete und polierte Rahmen
Die mit rötlicher Temperafarbe aufgemalten Ornamente
Begleitprogramm
Begleitend zur Sammlungspräsentation lädt die Alte Pinakothek zu Angeboten der Bildung und Vermittlung für Erwachsene, Familien und Kinder ein. Das laufend aktualisierte und erweiterte Programm finden Sie hier und im Programmkalender.
„EINE STUNDE MIT...”
MI 10.09.2025, 18.00–19.00 | Führung mit Andreas Schumacher, Sammlungsleiter Italienische Malerei
MI 08.10.2025, 18.00–19.00 | Führung mit Andreas Schumacher, Sammlungsleiter Italienische MalereiDO 13.11.2025, 13.00–14.00 ENTFÄLLT | Galeriegespräch mit Angela Meincke, Restauratorin für Gemälderahmen
DO 15.01.2026, 13.00–14.00 | Galeriegespräch mit Angela Meincke, Restauratorin für Gemälderahmen
Teilnahme im Eintrittspreis inbegriffen | begrenzte Anzahl an Plätzen | Tickets im Online-Ticketshop und an der Tageskasse
KURZFÜHRUNGEN
Jeden ersten und dritten SA im Monat 12.30–13.00
Teilnahme im Eintrittspreis inbegriffen | begrenzte Anzahl an Plätzen | Tickets im Online-Ticketshop und an der Tageskasse
KUNSTAUSKUNFT
Kommen Sie mit unseren Kunstvermittler:innen entlang der Grenzen der Gemälde ins Gespräch oder lassen Sie sich von einer spontanen Kurzführung inspirieren.
Jeden SO 12.00–16.00, ab Oktober SO 13.30–15.30
Kostenfrei | ohne Anmeldung | Einstieg jederzeit möglich
ONLINE-FÜHRUNG | LIVE CHAT
MO 20.10.2025, 17.30–18.30 | kostenfrei | Zugangslink im Online-Programmkalender der Alten Pinakothek
KREATIVPROGRAMM
Familienworkshop | Rahmen machen Bilder – und wir machen Rahmen!
Auf Streifzug in der Galerie schauen wir ganz genau hin, in welchen Rahmen die Gemälde der Alten Pinakothek stecken und suchen nach kunstvoll geschnitzten Girlanden und besonders schönen Schnörkeln. Anschließend kannst du aus unterschiedlichen Materialien ganz individuelle Rahmen basteln und verzieren – ob für dein eigenes Foto, als Geschenk für Lieblingsmenschen oder einfach als kleines Kunstwerk zu Mitnehmen.
SO 12.10.2025, 11.00–17.00 | Treffpunkt Studiengalerie Saal XI AP OG, Einstieg jederzeit möglich
SO 09.11.2025, 11.00–17.00 | Treffpunkt Studiengalerie Saal XI AP OG, Einstieg jederzeit möglich
SO 07.12.2025, 11.00–17.00 | Treffpunkt Studiengalerie Saal XI AP OG, Einstieg jederzeit möglich
Für Familien mit Kindern ab 6 Jahren | Teilnahme im Eintrittspreis inbegriffen | freier Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
Workshop | Let it Glow! Techniken des Vergoldens
Wie kommt das Gold auf die Bilderrahmen? Welche Techniken und Werkzeuge benötigt man im Umgang mit dem kostbaren Edelmetall? Mit Unterstützung einer professionellen Vergolderin und Restauratorin lernen Sie, wie man Holz nach alter Handwerkstradition mit echtem Blattgold, Bindemittel, Pinsel und etwas Fingerspitzengefühl zum Funkeln bringt … und am Ende können Sie Ihr eigenes, vergoldetes Andenken für Zuhause mitnehmen.
SO 30.11.2025, 11.00–14.00 und 15.00–18.00 Für Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene | begrenzte Anzahl an Plätzen | Tickets im Online-Ticketshop und an der Tageskasse