Der Blog der Pinakotheken

Geschichten aus dem Museum

19.10.2025 | Bayerische Staatsgemäldesammlungen

8. Europäischer Tag der Restaurierung

Am 19. Oktober 2025 findet der 8. Europäische Tag der Restaurierung statt – unter dem Motto „Wir erhalten, was uns bewegt“.

Mit dem Format der #TeamPick Conservation nehmen wir das Publikum in diesem Jahr mit in unseren Museumsalltag.
In den vergangenen zehn Wochen haben die Restaurator:innen des Doerner Instituts unter diesem Hashtag sehr persönliche Momente ihrer Begegnung mit den Kunstwerken geteilt: auf dem Rundgang durch die Ausstellungräume zur Kontrolle von Erhaltungszuständen, bei der kunsttechnologischen Untersuchung unter dem Mikroskop, bei der Vorbereitung von Leihgaben im Atelier, bei Fragen der präventiven Konservierung und bei restauratorischen Maßnahmen an den Gemälden.

Zum Europäischen Tag der Restaurierung, endet unsere Reihe #TeamPick Conservation
Die Beiträge finden Sie hier gesammelt im Blog – ein buntes Mosaik aus Expertise, Sorgfalt, Teamgeist und Leidenschaft zur Bewahrung unseres kulturellen Erbes! 

Mehr Informationen zu dem Aktionstag finden Sie auf www.tag-der-restaurierung.de sowie in den Sozialen Medien unter dem Hashtag #TagDerRestaurierung

Florian Schwemer

Mit seinem nur 35 x 27 cm großen Bild: „Die Erde von der Maximiliana aus gesehen“, entstanden 1963, nimmt Max Ernst mich mit in seinen faszinierenden künstlerischen Kosmos und in eine fremde Welt, in der ich immer wieder neue Geheimnisse entdecken kann. In seinem kreativen Ideenreichtum verwendet der Künstler so einfache wie vielseitige Materialien wie Acrylglas, Papier und Ölfarbe, die er virtuos einsetzt und es gelingt ihm, einen plastischen Raum zu erschaffen, in dem ich träumen kann.

Florian Schwemer,
Restaurator, Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, Doerner Institut

Marlena Schneider

Claudia von Valois (1547-1575) hatte es nicht leicht. Die französische Königstochter wurde noch als Kind mit dem Herzog von Lothringen verheiratet. Sie war Mutter von neun Kindern und starb mit nur 27 Jahren. Ihre Persönlichkeit wird als introvertiert und zurückhaltend beschrieben, oft flüchtete sie sich zu ihrer Mutter, der Katharina von Medici, an den französischen Hof. Ich denke über ihr Schicksal nach, während ich Schicht für Schicht das Portrait von einem stark vergilbten Naturharzfirnis, schwer löslichen Alt-Retuschen und den Resten eines fleckigen Eiklarfirnis befreie. Unter den Schichten von degradiertem Material kommen nicht nur die zarten rosa und bläulichen Schattierungen der Schläfen und Augenpartie wieder hervor, sondern auch ein kleines Grübchen am linken Mundwinkel: Claudia lächelt wieder. 

Marlena Schneider,
wiss. Volontärin, Doerner Institut (Schoof`sches Volontariat)

Ema Gerliciová

Bei den wöchentlichen Zustandskontrollen gehe ich langsam durch die Galerien und überprüfe jedes Kunstwerk auf auch die kleinsten Anzeichen von Veränderungen. In den stillen frühen Stunden bleibe ich oft stehen – wie heute – vor Brigid Polk (1971) von Gerhard Richter. Im gedämpften, sanften Licht sitzt sie nackt auf einer Kommode und blickt durch einen Schleier aus Unschärfe hinaus, hinter ihr hängt Badende (1967), ebenfalls vom Künstler, das auf die lange Geschichte des weiblichen Aktes in der Kunst verweist. Diese Unschärfe verweigert mir Klarheit; das Porträt bietet keine klare Identität oder genaue Ähnlichkeit – nur ihre ruhige Präsenz in Verletzlichkeit. Ich versuche, so unvollkommen es auch sein mag, diese Offenheit mit mir zu tragen: nicht in festen Linien zu leben, sondern in der sich wandelnden Schönheit des Unbestimmten. Das Unbekannte mag manchen Unbehagen bereiten, aber für mich ist es eine stille Einladung, frei zu leben, ohne Erwartungen. 

Ema Gerliciová,
wiss. Volontärin, Doerner Institut

Ulrike Fischer

Ich bin fasziniert vom Ruhenden Mädchen von François Boucher – ein Werk voller Zartheit, Sinnlichkeit und technischer Raffinesse, das in seiner Leichtigkeit zugleich meisterhaft komponiert ist. Bei der eingehenden Analyse seiner Maltechnik, der verwendeten Pigmente und der Schichtenstruktur durfte ich tief in die Welt des Alten Meisters eintauchen – und bin dabei einem Phänomen auf die Spur gekommen, das den heutigen fragilen Erhaltungszustand aufschlussreich erklärt. Die minutiöse Arbeit der Konservierung und Restaurierung ist für mich weit mehr als reine Technik: Sie ist ein behutsamer Dialog mit dem Kunstwerk, bei dem jeder Arbeitsschritt Respekt und Präzision verlangt. In den vielen stillen Stunden der intensiven Betrachtung eröffnet sich mir ein Raum der Reflektion – über den Künstler, über die Darstellung idealisierter Körperbilder und darüber, was es heute bedeutet, Nacktheit öffentlich zu zeigen und zu sehen.

Ulrike Fischer, 
Restauratorin Alte Pinakothek, Doerner Institut

Laura Hack

Die kleinformatige Holztafel von Martin Schongauer (1450-1491) beeindruckt mich vor allem durch die vielen Details, die teilweise nur mit einem Pinselhaar gemalt wurden und am besten mit dem Mikroskop erkennbar sind. So kann man in der Landschaft hinter dem Stall eine Schafherde entdecken und am unteren Bildrand mindestens 4 Erdbeerpflanzen zählen. Das schönste Detail der dargestellten Szene einer jungen Familie ist jedoch in der Unterzeichnung versteckt, die vorbereitend auf der Grundierung aufgebracht wurde. Mit Hilfe der Infrarotreflektografie, einem zerstörungsfreien, bildgebenden Untersuchungsverfahren, sehen wir diese zeichnerische, detailgetreue Anlage der Darstellung und bei genauerem Hinsehen sogar eine Änderung, die Martin Schongauer während des Malprozesses vornahm. Der Künstler hatte die linke Hand Marias nämlich ursprünglich schützend um den Bauch von Jesus platziert und der Szene so noch mehr Intimität verliehen. Momentan führe ich die kunsttechnologische Untersuchung durch und bin sehr gespannt, ob es noch weitere Entdeckungen dieser Art geben wird. Das Gemälde soll im Anschluss restauriert und unter anderem der vergilbte Firnis abgenommen werden. Möglicherweise ist dadurch das ein oder andere sogar besser lesbar als im jetzigen Erhaltungszustand.

Laura Hack,
Restauratorin Alte Pinakothek, Doerner Institut

Maike Grün

Als Kind habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie Kunstwerke eigentlich entstehen: Sie schienen einfach da zu sein. Im Jahr 2002 konnte ich als Restauratorin miterleben, wie Olaf Metzel mit seinem Team die Skulptur Reise nach Jerusalem hier vor Ort in der Pinakothek der Moderne erschuf. Dabei verformte er die bunten Plexiglasbahnen mittels großer Hitze, bis sie die von ihm gewünschte Form hatten. Bevor die Skulptur mit ihren 359 Einzelteilen im Jahr 2006 abgebaut wurde, um ins Depot zu wandern, dokumentierte ich sie mithilfe geodätischer Pläne, sodass wir sie 2017 originalgetreu wieder aufbauen konnten – als wäre sie nie weg gewesen. Das Schöne an meinem Beruf ist für mich, dass jedes Kunstwerk neue Fragestellungen und Herausforderungen mit sich bringt. Die Lösungen finde ich durch vielfältige Inspirationen, seien es archäologische Grabungsstätten oder Lego-Bauanleitungen.

Maike Grün, 
Restauratorin Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, Doerner Institut

Katja Lorenz

Ganz am Anfang meines wissenschaftlichen Volontariats, während einer der ersten Galeriepflegen, blieb ich beim Reinigen der Schutzverglasung vor „Ebene bei Auvers“ von Vincent van Gogh unerwartet lange stehen. In den pastosen Höhungen der Malschicht fielen mir Abdrücke von Gewebestrukturen auf – ein Detail, das mich sofort fesselte. Diese Spuren deuten darauf hin, dass Van Goghs Bilder zeitweise direkt aneinander gelehnt oder gestapelt waren. Möglicherweise ließe sich durch eine systematische Untersuchung sogar rekonstruieren, welche Gemälde direkten Kontakt miteinander hatten. Für mich als Restauratorin liegt gerade in diesen scheinbar unscheinbaren Befunden eine große Faszination: die materialtechnischen Hinweise, die stille Informationen über Entstehung, Umgang und Geschichte eines Werks enthalten. Auch heute noch werfe ich bei jeder Gelegenheit einen genauen Blick auf die Oberfläche – immer auf der Suche nach weiteren Abdrücken und Spuren.

Katja Lorenz,
wiss. Volontärin, Doerner Institut

Angela Meincke

Als Restauratorin für Gemälderahmen freue ich mich auf die Untersuchung eines außergewöhnlichen Rahmens, zugehörig zum Bild „Heilige Familie“ von Hans Rottenhammer d. Ä.. Dieser Rahmen fällt durch seine farbigen Reliefintarsien, in diesem Fall filigran geschnitzte Tulpen, Narzissen, Nelken und Rosen auf, eingefasst von schwarzbraunen, Ebenholz imitierenden Flammleisten. Vergleichbare, sogenannte „Egerer Reliefintarsien“ finden sich an Kabinettschränken, Brettspielen, Kassetten oder Einzelbildern, die im 17./18. Jh. von wenigen Kunsttischlern der Stadt Eger angefertigt wurden und als begehrte Kunstkammerobjekte und Geschenke an Adelshöfe in ganz Europa gingen. Die anstehenden Untersuchungen sollen Fragen klären wie: Kann der Rahmen den Egerer Reliefschnitzereien zugeordnet werden, und wenn ja, vielleicht einer bestimmten Egerer Werkstatt, wie beispielsweise Adam Eck (1604 – 1664)? Gibt es eine versteckte Signatur am Rahmen? Wie war die ursprüngliche Farbigkeit der Blüten und Blätter und womit wurde das Holz gefärbt? Gibt es Hinweise auf Anpassungen, da dieser Rahmen ursprünglich eventuell ein Reliefintarsienbild rahmte? In den Archiven der Pinakotheken findet sich ein einziger Hinweis, dass der damals bereits in der Sammlung vorhandene Rahmen 1928 um das Bild kam. Bild und Rahmen befinden sich derzeit gut verwahrt im Depot, was zwar schade für die Besucher ist, aber aus konservatorischer Sicht den bestmöglichen Schutz bietet.

Angela Meincke, 
Rahmenrestauratorin, Doerner Institut

Irene Glanzer

Knapp 4000 Werke aus unseren Sammlungen sind an öffentliche Institutionen ausgeliehen. Eine meiner Aufgaben ist die Betreuung dieser sogenannten Dauerleihgaben aus dem Bereich der Modernen Kunst. Dieses Bild von Fritz Winter kam nach vielen Jahren aus der Staatskanzlei zu uns zurück. Die Begutachtung der Rückseite hielt eine Überraschung bereit: Das im Inventar als „Schwarz vor Gelb“ gelistete Werk wurde von Fritz Winter handschriftlich auf der Leinwand mit dem Schriftzug „Aktives Schwarz vor Gelb“ versehen – ein neuer, differenzierter Titel! Die Oberfläche der Malerei hat sich im Laufe der Zeit verändert: im Schwarz zeigt sich ein weißer Belag, der aus mikroskopisch kleinen Kristallen besteht – meist handelt es sich bei diesen sogenannten ‚Ausblühungen‘ um Bestandteile des Bindemittels, die an die Oberfläche wandern. Das Bild lebt vom harten Kontrast zwischen Gelb und Schwarz, aber auch vom Kontrast zwischen strikt monochrom ausgeführten Farbfeldern und solchen mit uneindeutiger Farbgebung, wie etwa in den rot-braunen Feldern im oberen Bildbereich. Die Ausblühungen sind für die Malerei nicht schädlich, aber sie verändern die ursprünglichen Kontraste: das kräftige Schwarz erscheint stellenweise fleckig getrübt und der Kontrast zwischen klarer und ambivalenter Farbgebung ist unterminiert – ein Grund, die Kristalle zu entfernen. Die Oberflächenbehandlung wird nach einer Analyse, Kartierung und Bewertung aller zeitgeschichtlichen Spuren sorgsam ausgeführt, um den „Look“ der 50er-Jahre – der sich auch in den selbstgezimmerten Atelierleisten spiegelt – nicht zu stören.

Irene Glanzer, 
Restauratorin Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, Doerner Institut

Melanie Bauernfeind und Caroline Vogt

Wenn es darum geht unter welchen Bedingungen Kunstwerke ausgestellt oder gelagert werden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen Präventive Konservierung und Restaurierung gefragt, denn die Anforderungen an Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Licht unterscheiden sich je nach Materialgefüge und Zustand der Kunstwerke. Heute arbeiten wir – Melanie Bauernfeind als Verantwortliche für die Präventive Konservierung und Carolin Vogt als Restauratorin – an bestmöglichen Voraussetzungen für den Erhalt der in den 12 Staatsgalerien ausgestellten Gemälde. Doch unser erstes gemeinsames Projekt war Raffaellino del Garbo’s „Beweinung Christi“ in der Alten Pinakothek. Bei der Konservierung und Restaurierung stand zunächst die Festigung der Bildschicht auf dem hölzernen Träger im Vordergrund. Es hatten sich zahlreiche kleine Hohlräume gebildet, die gesichert und niedergelegt werden mussten. Als bei der Restaurierung  außerdem gegilbte Firnisse und farbliche Hinzufügungen des 19. Jahrhunderts entfernt wurden, trat die originale Malerei mit ihrer leuchtkräftigen Farbigkeit und den außergewöhnlich gut erhaltenen roten Farblacken zum Vorschein. Da rote Farblacke sehr lichtempfindlich sind, kam die Präventive Konservierung ins Spiel. Einerseits wurden während der Restaurierung die nicht in Bearbeitung befindlichen Bildpartien konsequent vor Lichtexposition geschützt. Andererseits starteten wir Messreihen, die sowohl die Farbwerte der Lacke für spätere Kontrollmessungen als auch die Lichtdosis erfassen. Deswegen erinnert uns dieses eindrucksvolle Werk auch daran, was die Arbeit am Doerner Institut so besonders macht: die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem gemeinsamen Ziel Kunstwerke für kommende Generationen zu bewahren.

Melanie Bauernfeind,
Präventive Konservierung, Doerner Institut

Carolin Vogt,
Restauratorin Staatsgalerien, Doerner Institut


Beitrag von

Bayerische Staatsgemäldesammlungen Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen betreuen einen wesentlichen Teil des Gemälde- und Kunstbesitzes des Freistaates Bayern sowie die dazugehörigen Münchener Museen: die Alte Pinakothek, die Neue Pinakothek, die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, die Sammlung Schack, das Museum Brandhorst und darüber hinaus zwölf Staatsgalerien in ganz Bayern. Hier arbeiten Kunsthistoriker:innen verschiedener Spezialgebiete, Naturwissenschaftler:innen und Restaurator:innen des angeschlossenen Doerner Instituts zusammen mit zahlreichen weiteren Mitarbeiter:innen daran, den großen Bestand von mehr als 30.000 Objekten zu verwalten, zu erhalten und wissenschaftlich zu erschließen.