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Der Blog der Pinakotheken

Geschichten aus dem Museum

12.05.2025 | Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Kunsthistorischer Coup:

Die Alte Pinakothek sichert Meisterwerk von Hans Baldung Grien

Es ist ein seltener Glücksfall für Kunstliebhaber:innen und ein bedeutender Moment für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: es ist gelungen, ein Meisterwerk der Altdeutschen Malerei für die Öffentlichkeit zu bewahren. Die Rede ist von Hans Baldungs  beeindruckender Darstellung der „Maria als Himmelskönigin“, einem Gemälde dieses außergewöhnlichen Renaissance-Künstlers, das sich in Privatbesitz befand.

Mit dieser Neuerwerbung kehrt ein Stück Kunstgeschichte zurück an einen Ort, an dem es in vollem Glanz erlebt und studiert werden kann: in der Alten Pinakothek. Das Werk stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert und besticht nicht nur durch seine künstlerische Qualität, sondern auch durch seine historische Bedeutung.

Ein Maler mit Eigensinn und Tiefe

Hans Baldung, genannt Grien, zählt zu den außergewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten der Renaissance nördlich der Alpen. Er lebte mit seiner Familie in Schwäbisch Gmünd, arbeitete mehrere Jahre in der Werkstatt Albrecht Dürers in Nürnberg und ließ sich 1509 in Straßburg nieder, wo er eine eigene Werkstatt gründete. Seine Werke – von Altarbildern über Porträts bis zu Historienbildern und mythologischen Szenen – zeugen von einer anspruchsvoller Bilderfindung. Vor allem lassen die große Kreativität und stilistische Eigenwilligkeit ihres Schöpfers erkennen, der fast immer zu unkonventionellen Lösungen gelangte.

So auch bei diesem Gemälde: Die Darstellung der Gottesmutter als Himmelskönigin wird ungewöhnlich kombiniert mit derjenigen einer „Maria lactans“, einer stillenden Muttergottes. Während Maria mit idealisierten Zügen und fein gelocktem Haar erscheint, greift der kleine Jesus in fast naturalistischem Realismus nach der Brust seiner Mutter. Dieser Kontrast zwischen überirdischer Anmut und irdischer Direktheit verleiht dem Bild eine große Besonderheit.

Ein transparenter Schleier, der sich von Mariens Krone herabsenkt und sich scheinbar mit dem Windeltuch des Kindes verbindet, schafft eine visuelle und inhaltliche Brücke – ein subtiler Hinweis auf die doppelte Natur Christi, göttlich und menschlich zugleich. Dazu gesellt sich eine fast karikaturhaft ausgeführte Engelsfigur in Grisaillemalerei, die wie geblendet zur Szene blickt – ein weiteres Spiel mit Mehrdeutigkeiten, das Baldungs Werk so faszinierend macht.

Neue Wege durch erstmalige und bewährte Partnerschaften

Ermöglicht wurde dieser bedeutende Ankauf vor allem durch die Pesl-Stiftung Bayern. Die 1991 von Dr. h. c. Rudolf Pesl und Maja Robert-Pesl gegründete Stiftung zur Förderung von Kunst, Kultur und Bildung hat sich mit dieser Erwerbung erstmals als Förderer hochkarätiger Kunstankäufe positioniert – und setzt damit ein starkes Zeichen für die Zukunft. Ihr Stiftungszweck sieht vor, Werke bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts für die Alte und Neue Pinakothek sowie das Bayerische Nationalmuseum zu fördern – mit „Maria als Himmelskönigin“ ist ein glanzvoller Anfang gemacht.

Unterstützt wurde die Erwerbung zudem von zwei langjährigen Partnern der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: der Ernst von Siemens Kunststiftung, die sich der Sicherung bedeutender Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen verschrieben hat, sowie dem Pinakotheks-Verein, der durch Ankäufe die Alte und Neue Pinakothek tatkräftig unterstützt.

Lücken schließen mit Präzision und Sinn für Qualität

Mit dem Neuzugang wird nicht nur ein inhaltliches Desiderat geschlossen – nämlich ein qualitätvolles kleinformatiges Andachtsbild von Baldung – sondern das Gemälde fügt sich auch  nahtlos in die Sammlung der Alten Pinakothek ein. Fast scheint es, als sei es für diesen Ort geschaffen worden. Werke dieser Qualität sind auf dem Kunstmarkt selten und für öffentliche Häuser aus Eigenmitteln kaum finanzierbar – umso bedeutsamer ist die großzügige Unterstützung, die hinter diesem Ankauf steht.

Auch die Rahmung des Bildes zeugt von Sorgfalt und Fachkenntnis: Die Pesl-Stiftung ermöglichte den Erwerb eines originalen Profilrahmens aus dem 16. Jahrhundert (Nussbaumholz, mit Schellack gefasst), der in Basel durch das renommierte Unternehmen Knoell Rahmen gefunden wurde. Die Rahmung verstärkt nicht nur die Wirkung des Gemäldes, sondern macht die Zeitlichkeit des Werks auf besonders elegante Weise erlebbar.

Eine Reise durch Sammlerhände – mit bewegter Geschichte

Auch die Provenienz des Bildes ist bemerkenswert und gut dokumentiert. Ursprünglich in Basler Privatbesitz, kam es 1907 ins Fürstlich Hohenzollern‘sche Museum in Sigmaringen und wurde 1928 von Robert von Hirsch, einem der wichtigsten Kunstsammler der Weimarer Republik, erworben. Nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten konnte von Hirsch seine Sammlung nach Basel retten. Sie wurde 1978 in London versteigert, nachdem von Hirsch testamentarisch deren Auflösung verfügt hatte. Nach über 30 Jahren in einer deutschen Privatsammlung gelangte Baldungs „Maria als Himmelskönigin“ 2012 in amerikanischen Privatbesitz, woher die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen das Gemälde unter Vermittlung des New Yorker Kunsthändlers Nicolas Hall nun erwerben konnten.

Ein Bild, das bleibt

Mit diesem Meisterwerk ist nicht nur eine kunsthistorische Lücke geschlossen worden, sondern ein Fenster geöffnet – in eine Welt voller Ambivalenz. Hans Baldung Griens Werk wird ab Anfang Juni einen prominenten Platz in der Sammlung der Alten Pinakothek einnehmen – ein Pflichtbesuch für alle, die sich für die Meister der Renaissance begeistern:

Mit der Eröffnung der Sammlungspräsentation „Wie Bilder erzählen: Storytelling von Albrecht Altdorfer bis Peter Paul Rubens“ wird das Werk ab 05. Juni erstmals im Erdgeschoss im Westflügel der Alten Pinakothek zu sehen sein.

Hans Baldung gen. Grien (1484/85-1545), Maria als Himmelskönigin, um 1516/18, 
Lindenholz, 35 x 25,5 cm
2025 erworben mit Mitteln der Pesl-Stiftung Bayern gemeinsam mit der Ernst von Siemens Kunststiftung und dem Pinakotheks-Verein
Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Alte Pinakothek München, Foto: Sibylle Forster
Hans Baldung gen. Grien (1484/85-1545), Maria als Himmelskönigin, um 1516/18, Lindenholz, 35 x 25,5 cm, 2025 erworben mit Mitteln der Pesl-Stiftung Bayern gemeinsam mit der Ernst von Siemens Kunststiftung und dem Pinakotheks-Verein, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Alte Pinakothek München, Foto: Sibylle Forster

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Bayerische Staatsgemäldesammlungen Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen betreuen einen wesentlichen Teil des Gemälde- und Kunstbesitzes des Freistaates Bayern sowie die dazugehörigen Münchener Museen: die Alte Pinakothek, die Neue Pinakothek, die Sammlung Moderne Kunst in der Pinakothek der Moderne, die Sammlung Schack, das Museum Brandhorst und darüber hinaus zwölf Staatsgalerien in ganz Bayern. Hier arbeiten Kunsthistoriker:innen verschiedener Spezialgebiete, Naturwissenschaftler:innen und Restaurator:innen des angeschlossenen Doerner Instituts zusammen mit zahlreichen weiteren Mitarbeiter:innen daran, den großen Bestand von mehr als 30.000 Objekten zu verwalten, zu erhalten und wissenschaftlich zu erschließen.